Samstag, 11. Juli 2009

Hamsun – grösster Dichter des Dritten Reiches?

Zu einer frei gesprochenen Vorlesung im Rahmen der Henrik-Steffens-Vorlesungen der norwegischen Steffens-Professur, gehalten im Wintersemester 2006/07, schrieb ich die folgenden Zeilen als Ankündigung. Ich drucke sie hier wieder ab aus Anlass des Hamsun-Jubiläumsjahres 2009 und dessen Diskussionen.

Vgl den folgenden interessanten Aufsatz zur norwegischen Situation:
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/abwege_zum_ruhm_1.2977115.html

Ich verweise auch auf einen Aufsatz von Stefan Lars Wachsmuth, der Hamsuns Segen der Erde in einem anderen Kontext thematisiert: http://www.morgenbladet.no/apps/pbcs.dll/article?AID=/20090529/OAKTUELT/442114024


Henrik-Steffens-Vorlesung 22.3.2007

Dienstag 13.2

Helge Høibraaten: Knut Hamsun – der größte Dichter des dritten Reiches?

Der Vortrag wird sich zum Teil mit Beispielen aus Hamsuns Romanen beschäftigen. Er wird sie aber im Rahmen der folgenden Überlegung stellen:

Knut Hamsuns Hunger und Mysterien waren vielleicht die ersten Romane des modernism überhaupt, und als er den Nobelpreis für Segen der Erde (Markens Grøde) bekam, hielt ihn Thomas Mann für den würdigsten Literaturpreisträger überhaupt. Nach seinem entschiedenen Einsatz für Deutschland während des dritten Reiches und der Besatzung Norwegens, wurde er eine Zeitlang gehasst und wohl kaum gelesen in Norwegen. Seit den fünfziger Jahren wurde das aber wieder anders, und da die Deutschen und die Russen ihn nicht mehr so viel lesen, ist er jetzt wohl ein vor allem in Skandinavien gelesener Autor. Als Norweger betrachtete er sich stets, und die deutsche Sprache beherrschte er nicht. Ist er aber ein nationalsozialistischer Dichter gewesen?

Die Frage ist falsch gestellt: Hamsun war politisch gesehen ein Anhänger des Nationalsozialismus und er war ein großer Dichter, und diese beiden Tatsachen haben mit einander zu tun, aber seine Dichtung war nicht spezifisch nationalsozialistisch. Wie so viele, war er auch ein Produkt des geistigen Klimas um die Jahrhundertwende, er stand unter dem Einfluss von Schopenhauer, Nietzsche, Dostojewskij und Huysmans. Er war vitalistisch, zunehmend zynisch und sein Leben lang ein Feind des Westens. „Irrationalist“ wäre keine ganz schiefe Bezeichnung. Rassistische Züge gab es bei ihm auch.

Seine Werke sind aber nicht als nationalsozialistische Werke zu deuten, auch nicht im Sinne eines Privat-Nationalsozialismus, den man aus den Werken von Theoretikern wie Martin Heidegger und Carl Schmitt herausgelesen hat. Für solche gedankliche Konstruktionen hat er sich in seiner Dichtung nicht eingesetzt, und hatte auch nicht das denkerische Niveau. Auch Segen der Erde, der im Erscheinungsjahr 1918 als einen Friedensroman gepriesen wurde, eignet sich für eine solche Bezeichnung nicht, wenn auch der Roman in der Retrospektive zum Teil gut zur Schablone „Blut und Boden“ passt. Segen der Erde ist aber kein Zweigroschen-Roman der eindeutigen Tendenz, sondern ein komplexes, ambivalentes, schwieriges und doch gesammeltes, großes Werk – konservativ sicherlich, utopisch auch, aber mitnichten kein Nazi-Roman.

Nun kann man behaupten, die Bezeichnung Nationalsozialismus sei zu eng gefasst für die Problematik, die hier verhandelt wird, und dass die Dichtung Knut Hamsuns, wenn nicht als nationalsozialistisch, so doch als faschistisch bezeichnet werden könne. Da es sich mit diesem Vorschlag nicht darum handelt, das Verhältnis der hamsunschen Dichtung zum faschistischen Italien zu charakterisieren, sondern Hamsun unter einem allgemeinen Oberbegriff zu subsumieren, müsste man in diesem Fall den Allgemeinbegriff oder den Ideal-Typus spezifizieren. Das ist eine interessante, aber gefährliche Aufgabe, die leicht weg vom Diskussionsgegenstand führen kann.

Thomas Mann zum Beispiel, war in seiner Jugend nicht nur von Nietzsche und Schopenhauer und Wagner beeinflusst – das blieb er sein Leben lang – er war auch gegen die Demokratie als deutsche Staatsform, er zog die innere Unendlichkeit einer unpolitischen aber „machtgeschützten Innerlichkeit“ als höhere Freiheit der demokratischen vor. Dass sich eine solche innere Kultur im Augenblick des Krieges dämonisch, von autoritären Führern politisch geleitet, auch nach außen wenden kann, drückte er im November 1914 (im Aufsatz „Gedanken im Kriege“) emphatisch wie folgt aus:

„Kultur ist offenbar nicht das Gegenteil von Barbarei; sie ist vielmehr oft genug eine stilvolle Wildheit, und zivilisiert waren von allen Völkern des Altertums vielleicht nur die Chinesen. Kultur ist Geschlossenheit, Stil, Form, Haltung, Geschmack, ist irgendeine gewisse geistige Organisation der Welt, und sei das alles noch so abenteuerlich, skurril, wild, blutig und furchtbar. Kultur kann Orakel, Magie, Päderastie, Vitzliputzli, Menschenopfer, orgiastische Kultformen, Inquisition, Autodafés, Veitstanz, Hexenprozesse, Blüte des Giftmordes und die buntesten Greuel umfassen.“

Das schrieb Mann, und da ist es nicht sehr gewagt, Faschismus einzubeziehen. Das Einzige, was eine gewisse Distanz erlauben würde, ist die geistesaristokratische Nennung von „Geschmack“; der Geschmack aber kann variieren und muss sich nicht notwendigerweise explizieren. Die Bezeichnung „Faschismus“ gab es 1914 noch nicht. Sicher ist aber, nirgends findet sich beim jungen Hamsun einen Satz, der das geistige Klima des „anything goes, so lange es geschlossen geschieht“ so formvollendet ausdrückt wie dieser Satz von Thomas Mann.

Entwickelte sich Thomas Mann vom Faschisten zum Demokraten? Er entwickelte sich vom Autor dieses Satzes tatsächlich zum Demokraten, wie Walter Baumgartner 1.2.07 in einer Henrik Steffens-Vorlesung zeigte. Außerdem tat er in seinen literarischen Werken keine solche wilde Haltung kund. Wenn man will, kann man das Klima, das im Mann-Zitat zum Ausdruck kommt, als „präfaschistisch“ bezeichnen. Dichter, die in ihren Werken solche Haltungen vertraten oder verrieten und sie sodann nicht verließen – was für Hamsun wohl galt – könnte man dann für die Zeit nach dem ersten Weltkrieg in einigen Fällen als „Faschisten“ bezeichnen.

Eine wichtige Frage, die man sich in diesem Kontext stellen sollte, ist aber: War nicht Knut Hamsun, der Norweger, jedenfalls der größte Dichter des dritten Reiches? Sollten nicht zuletzt die Norweger das begreifen? Wer denn sonst hatte diese Rolle ein? Ernst Jünger und Gottfried Benn waren große Dichter, aber sie standen dem Regime viel distanzierter gegenüber. Sie hatten auch nicht die Breitenwirkung von Hamsun, jedenfalls nicht Benn. Céline war sicherlich auch ein großer Dichter, aber mit Hamsuns Rolle während des dritten Reiches lässt sich die seinige nicht vergleichen. Ist es überhaupt eine wichtige Frage, wer der größte Verfasser des dritten Reiches war – ein menschenfeindliches, in wichtigem Sinn auch kunstfeindliches, vor allem totalitäres Regime ? Ich denke ja. Die Frage zu verneinen, wenn der Dichter groß war und das Hauptvolk des Reiches doch das Regime im großen und ganzen als legitim betrachtet und den Dichter wirklich geliebt hat, wäre arrogant. Dafür, dass er diese Rolle angenommen hat, nicht für nationalsozialistische Bücher, hat Knut Hamsun die politische Verantwortung – nicht nur für sein politisches Engagement im engeren Sinne, das natürlich eng mit dieser Position quasi als Staatsdichter verbunden war.

1 Kommentar:

  1. Welch' redundante Fragestellung! Es ist doch offensichtlich, dass der großte Dichter des Dritten Reichs Adolf Hitler war!

    Übrigens mag ich Hamsun recht gerne, habe gerade vor kurzem seine Novelle 'Pan' gelesen, war wirklich nicht schlecht...

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